Unterstützende Informationen zum Podcast #13 | Einführung TQM & EFQM am Beispiel eines KMU

Viele Unternehmen müssen sich mehr denn je dem Wandel ihres Umfeldes mittels einer zunehmenden Zahl an Anpassungs- und Reorganisationsmaßnahmen stellen. Um den entsprechenden Herausforderungen begegnen zu können, verfolgen Unternehmen je nach Größe und Branche unterschiedliche Strategien und Wege. Die Auswahl an möglichen Instrumenten und Methoden ist groß und oftmals kaum überschaubar. Die verschiedenen Instrumente und Methoden wirken z. T. auf das gesamte Unternehmen, auf einzelne Abteilungen und/oder auf einzelne Prozesse.

Um jedoch erfolgreich sein zu können, benötigen Organisationen, unabhängig von ihrer Branche, Größe, Struktur und/oder ihrem Reifegrad, grundsätzlich ein geeignetes Managementsystem. Die Anwendung eines Managementmodells als Ordnungsrahmen und „Leitlinie“ kann in dieser Situation hilfreich sein, um in Organisationen einen abgestimmten Methoden- und Konzepteinsatz zu ermöglichen. Das Excellence-Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) bietet als TQM-Ansatz hier eine offene sowie praxisorientierte und praxisbewährte Grundstruktur.

Was bedeutet TQM?

Wird das Verständnis von Qualität auf ein ganzes Unternehmen mit allen darin befindlichen Aktivitäten, wie z.B. Prozessen, Abteilungen, Mitarbeitern, Strategie usw., bezogen, so wird in der Regel von einem Total Quality Management (TQM) gesprochen. Im Mittelpunkt steht dann nicht nur der Anspruch, die Kunden zufriedenzustellen, sondern für sämtliche relevante Anspruchs- bzw. Interessengruppen der Organisation einen Nutzen zu generieren, um den nachhaltigen Unternehmenserfolg sicherzustellen.

Durch die Verfolgung einer TQM-Philosophie wird die Betrachtung der Prozessqualität in den Vordergrund gerückt. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass die gleichzeitige Betrachtung und Einbeziehung der Komponenten Qualität, Zeit und Kosten unabdingbar für funktionierende Prozesse ist.

Nachweislich erfolgreich

Es gibt weltweit eine Fülle von Studien über die Beziehung zwischen Total Quality Management und der Leistung von Unternehmen. Nicht nur in Europa ist das von der EFQM entwickelte Modell zur Umsetzung des TQM-Gedankens und zur Verbesserung der Leistung von Organisationen inzwischen Standard.

So hat z.B. eine durchgeführte Analyse auf Basis der Fraunhofer ISI-Erhebung zur Modernisierung der Produktion bei mehr als 1.600 Betrieben des deutschen verarbeitenden Gewerbes ergeben, dass Betriebe, die das EFQM-Modell nutzen, in der Qualität ihrer Produkte, in der Termintreue sowie in der Innovationsleistung besser abschneiden als andere Betriebe.

An der Wirtschaftsuniversität Wien wurde eine umfangreiche Studie zum Thema Unternehmensqualität und zu Erfolgsfaktoren des EFQM-Modells durchgeführt. Ziel war es, Variablen und Gestaltungshebel im Feld des strategischen Managements zu finden, die den Unternehmenserfolg möglichst direkt beeinflussen. Die generierten Ergebnisse basieren auf Daten von über 20.000 Unternehmen. Aus der Vielzahl an Daten wurden 25 hochgradig erfolgsrelevante Variablen für den Unternehmenserfolg abgeleitet. Es zeigte sich, dass die Erfolgswirksamkeit der Inhalte des EFQM-Modells als wissenschaftlich erwiesen angesehen werden können. Die nachfolgend und auszugsweise dargestellten Nutzenaspekte sind für Unternehmen zur Steigerung der Unternehmensqualität demnach gegeben:

  • Es gibt eine nachweislich überdurchschnittliche Verbesserung wirtschaftlicher und finanzieller Leistungen und Werte (steigende Aktienkurse, Umsätze, Investitionen, Mitarbeiterzahlen und sinkende Kosten) des Unternehmens.
  • Ein stärkeres Wachstum durch die Verbesserung von Effizienz und Effektivität (Profitabilität im Sinne der Zielsetzung) im Unternehmen ist sehr wahrscheinlich.
  • Die Auseinandersetzung mit Interessengruppen findet nachweislich statt. Dies äußert sich unter anderem in einer Steigerung der emotionalen Kundenbindung, insbesondere der Weiterempfehlungsbereitschaft, und einer höheren Attraktivität für Mitarbeiter/-innen, Kunden und Partner.
  • Unternehmen mit hoher Unternehmensqualität sind als Arbeitgeber attraktiver und erhalten eine höhere Leistungswilligkeit, Motivation und Leistungsstärke der Menschen (Selbstständigkeit, Einbindung, Beteiligung, Engagement).

Für welche Unternehmen ist die Anwendung geeignet?

Das EFQM-Modell und seine Anwendung ist nicht auf bestimmte Unternehmensgrößen oder Branchen festgelegt, sondern für alle Organisationen, unabhängig von der Branche und Größe, anwendbar. Es liefert grundsätzliche Bewertungsmaßstäbe, um aus eigener Kraft, d.h. mittels Selbstbewertungen, den Weg in Richtung einer hohen Qualität auf allen Ebenen und in allen Bereichen eines Unternehmens aufzuzeigen. Seine unverbindliche Rahmenstruktur berücksichtigt die vielen Vorgehensweisen, mit denen Nachhaltigkeit in allen relevanten Leistungsaspekten erzielt werden kann.

Das EFQM-Modell kann Organisationen Schritt für Schritt begleiten und ihnen eine überragende Stellung im Wettbewerb ermöglichen. Das Modell ist als Unterstützungswerkzeug bzw. als ein Managementsystem zu verstehen, mit dem der augenblickliche Reifegrad und Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden können. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass das Modell als ein dynamisches und flexibles Modell konzipiert wurde, dessen Anwendung und Nutzung nicht mit Lizenzgebühren oder Zertifizierungen verbunden ist, bei denen entsprechende Kosten entstehen.

Unterstützende Informationen zum Podcast #11 Organisationsentwicklung in einem KMU 1/2 – LEAN MANAGEMENT

Grundsätzlich sollte sich der Methodeneinsatz im Management an dem Reifegrad einer Organisation ausrichten und nicht nach aktuellen „Managementströmungen“. Oft wird mit teilweise sehr komplexen Methoden gearbeitet, ohne allerdings zu prüfen, ob die Methoden zum eigentlichen betrieblichen Problem passen, und ob die Methoden von den Führungskräften und Mitarbeitern verstanden und beherrscht werden. Wird dies nicht beachtet, was eher die Regel ist, so führt der Methodeneinsatz dazu, dass sich Beschäftigte und Führungskräfte aus dem Veränderungsprozess verabschieden und eine mehr oder weniger neutrale Position beziehen. Dies ist insbesondere dann zu beobachten, wenn durch das Top-Management in zeitlich kurzen Abständen unterschiedliche Methoden in den Fokus genommen werden.

Kein Managementsystem, auch nicht Lean Management, sollte daher kampagnenartig über Methoden implementiert werden. Viel wichtiger ist die Erzeugung von Verständnis und Akzeptanz bei Beschäftigten und Führungskräften für den verfolgten Weg in Richtung einer Vision. Das Ziel sollte es sein, dass Verbesserungs- und Veränderungsprozesse nicht aus einem betrieblichen Zwang durchgeführt, sondern vielmehr aus Überzeugung umgesetzt werden. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass einzusetzende Methoden letztendlich nicht gelebt werden, und somit kein nachhaltiger Veränderungsprozess herbeigeführt werden kann.

Zu den etablierten Methoden beim Start in Richtung Lean Management zählen in der Regel die Methoden 5A bzw. 5S (Ordnung und Sauberkeit), der Blick für die „7 Arten der Verschwendung“, 5W? und ein einfaches Prozessmanagement. Parallel hierzu sollte auch das Thema „Führung vor Ort“ angegangen werden, um eine Basis für gegebenenfalls komplexere Methoden zu legen. Dies ist insofern wichtig, da sich z.B. an 5A bzw. 5S die Entwicklung von Standards anschließt, die wiederum stabilisiert und weiterentwickelt werden sollten. Erst wenn diese Elemente in der Organisation fest verankert sind, macht es Sinn, über den Einsatz komplexerer Methoden nachzudenken. Bis dieser Reifegrad allerdings in den meisten Unternehmen erreicht ist, vergehen in der Regel Monate bis Jahre.

(Einfaches) Prozessmanagement
Prozessdenken steht immer vor Abteilungsdenken. Am Ende eines Prozesses ist immer ein interner/externer Kunde, dessen Wünsche mit Blick auf Kosten, Lieferzeit, Qualität, Geschwindigkeit usw. zu erfüllen sind.

Die 7 Arten der Verschwendung (7V)
Zu den Grundprinzipien bei Toyota zählt bis zum heutigen Tag die Vermeidung von Verschwendung in den Prozessen. Verschwendung muss kontinuierlich und nachhaltig aus den Arbeitsprozessen im Unternehmen entfernt werden. Der Weg hierzu führt über das Bewusstmachen des sorgfältigen Umganges mit Ressourcen, um den als „Verschwendung“ deklarierten Zeit-, Informations- und Materialaufwand zu erkennen und zu reduzieren. Taiichi Ohno, ehemaliger Produktionschef von Toyota, hat sieben Arten der Verschwendung definiert:

  1. Überproduktion – produziere, erstelle, schreibe, drucke usw. nur genau das, was auch vom Kunden benötigt wird.
  2. Bestände – reduziere Materialbestände in der Produktion und Verwaltung
  3. Transport – vermeide z.B. unnötigen Transport von Material und Informationen, Umschichtungen usw.
  4. Wartezeiten – vermeide Zeitverschwendung durch Warten, Laufen, Suchen usw.
  5. Arbeitsprozess – vermeide z.B. unnötige Stillstände, umständliche Arbeitspraktiken, Unterbrechungen einer angefangenen Tätigkeit usw.
  6. Bewegungen – vermeide unnötige Bewegungen im Arbeitsprozess
  7. Fehler/Reparaturen – vermeide die Erzeugung und Weiterverwendung von Produkten, Informationen usw. die nicht einwandfrei sind. Denke an den Aufwand für die Reparatur bzw. Nacharbeit und die Kosten von Ausschuss.

Die geschilderten Verschwendungsarten sind oftmals miteinander verknüpft, d.h. eine Verschwendungsart kann wiederum eine andere verursachen. So kann bspw. Überproduktion die Ursache von zu hohen Lagerbeständen sein und diese verursacht überflüssige Bewegungen (Transporte) mit überproduzierten Gütern.
Auch vermeintlich geringfügige Verschwendungen im Prozess können kumuliert große Auswirkungen auf das Betriebsergebnis haben. Ein Beispiel kann dies verdeutlichen: 30 unnötige Schritte, die 20-mal pro Tag gegangen werden und jeweils 15 Sekunden dauern, summieren sich auf 2 Arbeitstage pro Jahr. 

5S – Ordnung und Sauberkeit
Die Methodik 5S gilt als Basis vieler Methoden im Lean Management. Sie gilt im Allgemeinen als wenig anspruchsvoll und ist leicht zu erlernen und anzuwenden. Weltweit ist sie in der Regel die Einstiegsmethode beim Themen Lean Management.

Das Ziel der Methodik ist in der Regel die Schaffung von Übersicht und Ordnung an Arbeitsplätzen oder auf Servern, um z.B. Weggleiten und Rüstzeiten zu reduzieren und Suchzeiten zu vermeiden. Darüber hinaus dient sie der Steigerung des Verantwortungsbewusstseins und der Disziplin von Beschäftigten und Führungskräften, der Transparenz von betrieblichen Abläufen, der Arbeitssicherheit, der Qualitätssteigerung durch Fehlervermeidung und ist die Basis u.a. für vorbeugende Instandhaltung und Methoden wie z. B. Total Productive Maintenance und Rüstzeitminimierungen. Die Methodik kann branchenübergreifend und in allen Bereichen eines Unternehmens wie Produktion, Büro usw. angewendet werden.

Viele Fachexperten, Wissenschaftler, Berater und auch Topführungskräfte glauben, dass die 5S-Methode schnell zu implementieren ist und man sich dann den vermeintlich wichtigeren, da anspruchsvolleren Themen und Methoden zuwenden kann. Doch diese Einschätzung ist zumeist ein Trugschluss, der in den USA und in Europa immer noch (zu häufig) anzutreffen ist. Auf der Basis von mehr als 20 Jahren Erfahrung des Autors in der Beratung, Begleitung und Umsetzung von Lean- und „Toyota-Themen“ in Unternehmen diverser Branchen und Größenordnungen, ergänzt um Vor-Ort-Besichtigungen von Unternehmen in Japan und China, lassen sich folgende Feststellungen treffen:

  • Wer die 5S-Methode im täglichen betrieblichen Handeln nicht beherrscht, d.h. konsequent, diszipliniert und nachhaltig betreibt, wird an vielen Themen des Lean Managements scheitern oder aber nicht die Erfolge erzielen, die möglich wären.
  • Wer glaubt, dass diese Methode kurzfristig und ohne großen Aufwand implementiert werden kann, hat scheinbar weder das notwendige Fachwissen noch einen großen fachlichen Erfahrungsschatz.
  • Wer die Meinung vertritt, dass die 5S-Methode keine elementare Führungsaufgabe auf allen Hierarchieebenen ist, da Führungskräfte allgemein wichtigere Themen zu verfolgen haben, sollte sich generell bzgl. des eigenen Führungsverständnisses in diesem Themenfeld hinterfragen.

Bevor nachfolgend auf die Bedeutung von 5S näher eingegangen wird, um die vorhergehenden Aussagen zu unterstützen, erfolgt zunächst ein Überblick über die Methode. Die Methode 5S hat vornehmlich zum Ziel, Übersicht und Ordnung in allen Arbeitsbereichen eines Unternehmens zu erhöhen.

5S steht für die japanischen Begriffe:

Seiri (Sortiere aus): 
Im ersten Schritt werden am Arbeitsplatz Arbeitsmittel, Informationen usw., die nicht regelmäßig benötigt werden oder doppelt vorhanden sind, aussortiert.

Seiton (Ordnung schaffen):
Als nächstes werden die am Arbeitsplatz verbliebenen Arbeitsmittel, Informationen usw. sinnvoll angeordnet, z.B. nach Häufigkeit der Benutzung.

Seiso (Säubere):
Anschließend wird der Arbeitsplatz oder der Server gereinigt bzw. „gesäubert“ und ein Rhythmus, in dem die Reinigung wiederholt wird, bestimmt.

Seiketsu (Sauberkeit bewahren):
Um den Zustand von Ordnung und Sauberkeit dauerhaft aufrechterhalten zu können, sollten zur Orientierung entsprechende Standards festgelegt werden.

Shitsuke (Selbstdisziplin üben):
Mit der Zeit schleichen sich gewöhnlich wieder alte Gewohnheiten ein, die dazu führen, dass Ordnung und Sauberkeit am Arbeitsplatz abnehmen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll regelmäßig die Schritte eins bis vier zu durchlaufen und ggf. auch die bestehenden Standards weiterzuentwickeln bzw. zu optimieren.

Im deutschen Sprachraum ist neben der Bezeichnung 5S auch 5A gebräuchlich. Die 5A bedeuten hierbei in der Regel:

  • Aussortieren,
  • Aufräumen,
  • Arbeitsplatz sauber halten,
  • Anordnung zur Regel machen und
  • Alle Schritte wiederholen.

Weitere Bezeichnungen sind in Deutschland oftmals auch „Ordnung und Sauberkeit“, „Rote-Karte-Aktion“ und/oder SOS (Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit).

5W? – Frage fünfmal „Warum?“

Die Anwendung der Methodik 5W? (fünfmal „Warum?“: fünfmal hintereinander „Warum?“ zu fragen) ist eine relativ einfache und effiziente Methode für die Suche nach den tatsächlichen Ursachen von Problemen und Abweichungen. Sie gilt als Basis zur Erkennung von Potenzialen und der Erleichterung der täglichen Arbeit. Sie stellt allerdings oftmals die Unternehmenskultur und die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit auf eine harte Probe (Siehe Abbildung).

Beispiel für einen 5W?-Prozess bis zur Wurzel des Problems

Zusammenfassung
Die größte Herausforderung bei den geschilderten Methoden besteht allerdings darin, dass das Zusammenspiel dieser Methoden auf die betriebsspezifischen Anforderungen ständig neu abzustimmen und zu hinterfragen ist. So unterliegt z.B. das Toyota-Produktionssystem, in dem bis heute die beschriebenen Methoden zur Anwendung kommen, seit mehr als 50 Jahren einem ständigen Lern- und Verbesserungsprozess. Auch nachdem 1960 die ersten Grundsätze, Elemente und Methoden des Produktionssystems in den Fabriken Toyotas eingeführt waren, suchte Toyota weiterhin nach Verbesserungspotenzialen, um die Produktivität zu steigern. Dies geschah und geschieht auch in den administrativen Bereichen. So wurden in den folgenden Jahren verschiedene weitere Elemente und Methoden entwickelt, die einander ergänzten und so das Räderwerk eines umfassenden aufeinander abgestimmten Produktionssystems entstehen ließen.

Ein erster spontaner Gedanke zur Thematik „Führungskraft als Coach“ basiert auf vielen Jahren Erfahrung in der Begleitung von Unternehmen und einer Vielzahl an Gesprächen und Workshops mit Führungskräften des mittleren und oberen Managements:

Einer der Gründe, die zu Misserfolgen von Veränderungs- und Verbesserungsprozessen u.U. maßgeblich beitragen und dadurch Potentiale in der Organisation ungenutzt lassen, sitzt vor mir und möchten mich coachen!?

In den letzten Jahren ist das Thema „Führung“ in vielen Unternehmen in den Fokus gerückt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen fordern Management- und Zielsysteme die erfolgreiche Führung von Arbeitssystemen mit Blick auf Kosten, Zeit, Flexibilität, Qualität usw. Zum anderen zeigen weltweite Erhebungen, dass notwendige Veränderungs- und Verbesserungsprozesse, unabhängig von der Themen- und Zielstellung, in Organisationen oftmals bzw. zu oft scheitern. Als einer der Gründe werden an dieser Stelle vielfach Führungskräfte identifiziert, die hinsichtlich Vorbildfunktion, Information und Kommunikation, wertschätzenden Umgang mit Geführten, Empathie, Kultur- und Sinnvermittlung sowie „Vor-Ort-Präsenz“ noch Potenzial besitzen sollen.

Die Fach-, Berater- und sog. Vordenkerwelt reagiert darauf seit vielen Jahren mit immer neuen Führungsmodellen und -theorien. Über deren Erfolg und Nachhaltigkeit lässt sich sicherlich lange diskutieren und philosophieren.

Als der „neueste und letzte Schrei“, „der Stein der Weisen“ oder „das fehlende Glied auf dem Weg zum Erfolg“ gilt aktuell vermehrt eine Methodik, welche die vorhergehend benannten Herausforderungen für Führungskräfte und Unternehmen vermeintlich erfolgreich begegnen kann und die auf der Erkenntnis basiert, dass die Führungskraft als Coach agieren sollte. Hiermit ist nicht gemeint, dass Führungskräfte durch Externe gecoacht werden sollen! Nein, die Führungskraft soll Coach ihrer Mitarbeiter/-innen sein.

Es gibt grundsätzlich wesentliche Bedingungen für ein erfolgreiches Coaching:

  • Ein Coaching findet immer freiwillig statt, d.h. ohne das der bzw. die Gecoachte dazu gezwungen wird.
  • Das Coaching ist mit einem klaren Zeitplan und einem konkreten Ziel verbunden.
  • Die Vertraulichkeit des Gesprächs muss gegeben und garantiert sein.
  • Es bestehen keine hierarchischen Abhängigkeiten in der Gesprächssituation.

Es muss noch zwingend hinzugefügt werden, dass sichergestellt werden sollte, dass eine Führungskraft auch freiwillig als interner Coach agieren möchte.

In der WirtschaftsWoche vom 19.3.21 (Nr. 12, S. 20) wurde die Situation für Führungskräfte, die Coach ihres Teams und nun ausgerichtet und trainiert werden sollen, wie folgt beschrieben: „Dann ploppt da plötzlich diese Outlook-Einladung auf – und mit ihr die Frage: Was um Himmels willen erwartet mich da? Und wie bitte schön mache ich das Beste daraus?“

Die Zielstellung ist klar und herausfordernd: „Selbst ihre Mitarbeiter zu coachen und sie während der Arbeit bei der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen“ (WirtschaftsWoche vom 19.3.21, Nr. 12, S. 20).

Wem jetzt ernsthafte Zweifel an dieser Vorgehensweise und den Erfolgsaussichten kommen, dem sei gesagt, dass man nicht alleine ist: „Wenn der Chef sich zum Coach aufschwingt, ist der Bruch mit dem wichtigsten Prinzip der Zunft (Anmerkung: der Coaching-Zunft) programmiert: absolute Vertraulichkeit und Abwesenheit von hierarchischen Abhängigkeiten“ (WirtschaftsWoche vom 19.3.21, Nr. 12, S. 20).

Doch es gibt noch mehr Aspekte, die an den Erfolg und die Nachhaltigkeit des Konzepts „Führungskraft als Coach“ zweifeln lassen:

  • Es wird erneut eine „neue Sau durchs Dorf getrieben“, d.h. die Unternehmenswelt hat eine neue Managementmode entdeckt und unreflektiert als Erfolgstreiber ausgerufen. Evtl. ist dies sogar die x-te Modewelle in einem Unternehmen und die vorgehenden Kampagnen waren ebenfalls nicht nachhaltig und erfolgreich. Diesbezügliche Lerneffekte gibt es nicht oder werden ignoriert.
  • Die Geführten und Führungskräfte haben kein Interesse zu coachen bzw. sich überhaupt oder von der direkten Führungskraft coachen zu lassen.
  • Einer der Gründe, die zu Misserfolgen von Veränderungs- und Verbesserungsprozessen u.U. maßgeblich beitragen und dadurch Potentiale in der Organisation ungenutzt lassen, sitzt vor mir und möchten mich coachen.
  • Die Führungskraft als Coach deckt mit dem gecoachten Team Herausforderungen für den Arbeitsalltag auf, aber kann diese selbst oder auch zusammen mit dem Team nicht lösen, da andere Führungskräfte dafür verantwortlich sind oder aber zumindest bei der Lösung unterstützen müssten. Diese Form der abteilungs- und hierarchieübergreifenden Zusammenarbeit ist bisher allerdings evtl. noch nie geschehen, weil in „Silos“ und Hierarchien gedacht und gearbeitet wird.

„Natürlich seien derlei Konflikte auch den Personalentwicklern in Konzernen bewusst. Sie würden trotzdem Führung mit Coaching vermischen – und etwa das, was gestern noch ein Jahresgespräch war, heute schon als Coaching ausweisen. Den Konzernen spart das bares Geld.“ (WirtschaftsWoche vom 19.3.21, Nr. 12, S. 22).

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welchem mangelhaftem Verständnis für die Wirkweise von Arbeitssystemen in Unternehmen agiert und wie versucht wird, mit immer neuen Moden, Konzepten usw. zumeist offensichtliche Themen, Probleme und Potenziale z.T. zu ignorieren oder zu kaschieren.

Im Coaching, als eine Methodik bzw. ein Werkzeug, liegen sicherlich diverse und umfangreiche Möglichkeiten Potenziale zu identifizieren und zu heben. Auch können Führungskräfte sich des „Coaching-Werkzeugkastens“ bedienen und geeignete Methoden daraus anwenden. Aber dafür ist Augenmaß und ein bewusster Einsatz dieser Methoden notwendig. Ebenso auch die Erkenntnis, dass es hier Grenzen bei der Anwendung gibt. Die bewusste und wohldosierte Nutzung von Coaching-Methoden macht aus Führungskräften allerdings zwingend noch keine Coaches, die Coaching-Prozesse zielführend gestalten können (Ausnahmen hiervon mag es, wie immer, sicherlich geben). Für den Einsatz im Unternehmen sind daher externe Coaches vorzuziehen.

Unser dreiteiliger Podcast möchte die Thematik und die damit einhergehenden Notwendigen Rahmenbedingungen für erfolgreiches Business-Coaching verdeutlichen und zu einer bewussten betrieblichen Anwendung der Methodik beitragen.